Bittersüßes Fernweh

Ich stehe auf einer Klippe. Unter mir das brausende Meer, eine Möwe kräht und der Wind bringt den Geruch von Salzwasser, Frühling und Blumenmeer zu mir. Es ist März auf Mallorca, die Sonne wärmt mein Gesicht und meine Arme, zu kalt zum schwimmen, aber das ist mir egal. Am Strand sehe ich nichts vom Leben, nichts von der gewaltigen Naturlandschaft, die mich umgibt. Gewaltige Bergmassive, azurblaues Wasser bis zum Horizont, Palmen, Blumen und saftig-grünes Gras.

Die Liebe für den Moment

Weiter unten läuft eine Bergziege mit ihrem Jungen über die Steine, erstaunlich flink. Als sie mich sieht, verharrt sie regungslos und mustert mich skeptisch. Doch von mir droht keine Gefahr und sie zieht ohne Eile weiter. Die Natur ist langsam, geduldig und genügsam. Alles folgt seinem Rhythmus, dem Takt der Natur, dem Klang der Wellen. Ich bin hier nur zu Gast und darf dem Spektakel zusehen. Ob ich hetze oder mich aufrege, ob ich da bin oder eben nicht – der Natur ist es gleich. Ich fühle mich winzig klein und unbedeutend, während gleichzeitig mein Herz von Größe und Aufregung erfüllt wird.

SAMSUNG CSCWartet noch was Großes auf mich – oder soll es das gewesen sein? Arbeiten, essen, fernsehen – alles Routine. Alles bekannt, alles hunderte Male wiederholt. Abends sitze ich mit einer Flasche Wein am Strand, von den Restaurants weht der Geruch von Knoblauch, Fisch, Fleisch und frischem Brot zu mir herüber. Ich bin trunken vom Wein und der Schönheit, sauge alles in mir auf. In mir breitet sich die Ruhe aus.

Die Liebe für den Moment, wenn das Außen zu meinem Inneren passt –  das ist es, was für mich Genuss ausmacht. Ich ertrinke in Schönheit. Das Hotel ist eine Bruchbude, das Bett fällt fast auseinander – und es ist völlig egal. Ich schlafe wie ein Stein. Am nächsten Tag geht es weiter, vorbei an verfallenen Häusern und modernen Villen, kleinen Geschäften, bei denen die Besitzer vor der Tür in der Sonne sitzen. Vieles wirkt verlassen, es ist keine Saison, noch geh es gemächlich zu. Und das ist auch gut so. Hektik habe ich im realen Leben genug, ich brauche Auszeiten von den vielen Menschen, der Uhr und auch der virtuellen Welt. Von einem Leben, das mich in Form zu pressen versucht.

Mehr Leben, mehr spüren, mehr Freiheit

Muss ich zufrieden sein? Partner, Arbeit, Familie, Wohnung, Freunde – eigentlich ist alles da. Eigentlich fehlt es mir an nichts. Bis auf die Schönheit der Welt. Und Zeit. Auf Reisen zu gehen ist wie ein Stück Schokolade – es zergeht langsam auf der Zunge, schmilzt und hinterlässt einen süßen Nachgeschmack, der nachhallt. Doch nach einiger Zeit wandelt sich der Geschmack ins bittersüße. Du schmeckst noch die letzten Bestandteile heraus, die Aromen verbleiben im Rachen und du erinnerst dich bruchstückhaft an das, was so köstlich war. Aber du willst mehr.

Mehr Leben, mehr spüren, mehr Freiheit, mehr genießen. Raus aus dem Korsett, weg von Vorschriften, Regeln und Erwartungen. Das volle Leben kosten. Wild und frei und glücklich sein. Je mehr ich reise, umso mehr spüre ich den Drang auszubrechen. Weg von Meetings, PC, Kantine, Hausarbeit, Auto putzen, Work-Live-Balance und Kaffee trinken. Raus aus dem Büro, raus aus der Stadt, rein ins Leben, rein in die Welt. Im Gras liegen und den Duft der Natur einatmen, barfuß über den Sand laufen, Schäfchenwolken zählen. Andere Menschen, Mentalitäten und Denkweisen kennenlernen. Reisen, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist.

Im Urlaub erhalten wir die Kostprobe vom Leben

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Ich verstehe immer mehr die, die sich ihre Rücksäcke und ein Laptop packen, alles aufgeben und die Welt erkunden. Dort arbeiten, wo sie gerade sind. Ich verstehe Menschen, die wieder auf einen Bauernhof ziehen und sich bei der Gartenarbeit die Hände schmutzig machen. Ich verstehe, warum es hunderte Landliebe-Zeitschriften gibt. Ich verstehe, warum immer mehr Menschen etwas mit ihren Händen machen, anstatt vor dem PC zu sitzen. Kochen, gestalten, malen, schreiben, musizieren – ist das nicht das eigentliche, echte, fassbare Leben? Ist das nicht das natürliche Leben, was unserer Natur am ehesten entspricht?

Ist es nicht das Fernweh, sondern die Sehnsucht nach diesem unverfälschten Leben, das mich umhertreibt und rastlos macht? Das Entdecken und Erforschen, wie zu der Zeit, als man ein Kind war? Als jeder Tag eine neue und aufregende Möglichkeit war, die Welt zu erkunden? Etliche Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Aber eines weiß ich:

Das echte Leben ist immer weiter weggerutscht und ruft verzweifelt um Hilfe. Zeit, es wieder einzuholen. Ich bin hungrig nach Entdeckungen. Im Urlaub erhalten wir nur eine kleine Kostprobe vom puren Leben. Das hätte ich jetzt gerne als Hauptgang und noch einen fetten Nachschlag mit Sahnehaube und Kirsche obendrauf!

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P.S. Interessierst du dich für Reise-Videos? Hier findest du unseren YouTube-Kanal. Aktuell findest du hier Videos für Bali, Mallorca, Gran Canaria und den Vogesen, wobei wir diesen in Zukunft noch stark ausbauen werden.

 

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4 Gedanken zu „Bittersüßes Fernweh“

  1. Danke für den tollen Artikel. Fast immer sind Reisen und das Gefühl des Glücks eng miteinander verbunden, denn eine enorme Aneinanderreihung von glücklichen Momenten finden wir auf unseren Reisen. Weit weg von der Hektik des Alltags haben wir genügend Zeit und Muße, um Entspannung zu erleben und die vielen kleinen glücklichen Momente in vollen Zügen zu genießen.

    Wir freuen uns über einen wunderschönen Strand und planschen ausgelassen im Meer. Wir genießen die köstliche einheimische Küche und verbringen einen romantischen Abend in trauter Zweisamkeit. Wir sind frei und beschwingt. Auf Reisen können wir selbst über unsere Zeit bestimmen, tolle Abenteuer erleben, einfach mal abschalten und uns richtig glücklich fühlen. Reisen macht eben glücklich.

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  2. Bin gerade auf deinen Artikel gestoßen und ich muss sagen, du sprichst mir aus der Seele. Erst gestern Nacht bin ich zurück aus einem wunderschönen Urlaub gekommen und heute im kalt-nassen Deutschland möchte ich am liebsten sofort wieder in die Ferne. Meine Katzen und mein Freund sind überglücklich, dass ich wieder da bin und ich finde es ja auch schön, sie um mich zu haben, aber hier fühle ich mich so rastlos und alles wirkt so sinnlos, routineartig. Was tust du dagegen?

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    • Hi Jessi, vielen Dank! Leider gibt es kein Rezept dagegen…Mir hilft es, schon den nächsten Urlaub zu planen 🙂 Und natürlich, sich das „normale“ Leben so schön wie möglich einzurichten und auch den Alltag Zuhause mehr zu genießen!

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