Warum Ziele häufig kontraproduktiv sind, was der Goal-Gradient-Effekt damit zu tun hat und wie ich den Effekt nutzen möchte, um gesünder zu leben.
Ziele setzen – und verfehlen
Kennst du den Goal-Gradient-Effekt? Wenn es dir wie mir geht und du dir gerne Ziele setzt, diese aber dennoch häufig verfehlst, könnte es hilfreich für dich sein, ihn zu kennen. Gerade jetzt, am Anfang des Jahres, haben sich viele von uns (zahlreiche) Ziele gesetzt. Gesünder leben, abnehmen, mehr Zeit mit den Kindern verbringen, mit dem Rauchen aufhören und vieles mehr. Ich finde es prinzipiell gut, sich Anfang des Jahres Ziele zu setzen – doch bei mir ist es oft so, dass ich eine Sache sehr motiviert angehe und sich dann nach einer gewissen Zeit der Schlendrian einstellt. Soll heißen, ich ziehe Dinge nie sehr lange bzw. konsequent durch.
Eines meiner Ziele ist es zum Beispiel, 10 kg abzunehmen. Ich habe es vor ein paar Monaten zwar erfolgreich geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören, doch dafür haben sich ein paar Kilos zuviel auf meine Hüften geschlichen. Für mich als Genussmenschen gehört es dazu, dass ich mich in meinem Körper wohl fühle, dass ich meinen Körper genießen kann und er mir nicht fremd vorkommt. Mein Geist ist willig – und dennoch erwische ich mich dabei, wie ich faul abends vor dem Fernseher sitzend ein Eis esse, anstatt auf dem Stepper zu schwitzen und Gurkenscheiben zu „naschen“. Schande über mich!
Bin ich einfach ein willensschwacher, hoffnungsloser Fall?
Bin ich einfach ein willensschwacher, hoffnungsloser Fall? Ratgeber zum Thema Motivation gibt es wie Sand am Meer. Die Tipps wiederholen sich jedoch immer: Setz dir hohe Ziele, erstelle einen Jahres-Monats-und Wochenplan, denk positiv und orientier dich an erfolgreichen Menschen.
Das Problem: Ich hasse es, Pläne zu erstellen und mich dann auch noch minutiös daran zu halten. Mein Leben ist keine To-Do Liste! Und schön, wenn es andere auf die eine oder andere Art geschafft haben, aber das heißt noch lange nicht, dass das bei mir genauso klappt. Und auch das positive Denken halte ich für komplett überbewertet. Wenn ich etwas scheiße finde, kann dies ein sehr viel wirksamer Motivator sein als das „Denk positiv und es wird sich zum Guten wenden.“
Ich brauche also eine Methode, die eher mir entspricht. Die nicht zu starr ist oder mich schnell überfordert, wenn es mal wieder stressiger wird. Eine „Das schafft sogar Annika“-Ernährungsumstellung. Und hier kommt der Goal-Gradient-Effekt sowie ein Buch ins Spiel, das ich vor ein paar Tagen gelesen habe.
Der Goal-Gradient-Effekt
Doch was besagt der Goal-Gradient-Effekt? Kurzgesagt: Je näher du einem Ziel kommst, umso mehr strengst du dich an. Oder, im Umkehrschluss: Je weiter du von der Zielgeraden entfernt bist, umso eher gibst du auf. Echt gemein, oder? Wir haben also auf der einen Seite ein Ziel und auf der anderen Seite unser tatsächliches Verhalten. Das Verblüffende ist, dass genau unsere Pläne daran schuld sein können, dass wir die Ziellinie nicht erreichen – sondern vorher aufgeben. Beweise gefällig?
Je weiter du vom Ziel entfernt bist, umso eher gibst du auf. Und jetzt?
Forscher der University of Miami und California haben hierzu mehrere Test durchgeführt. Bei einem ging es darum, wie die Versuchspersonen mit einer Steuersenkung von bis zu 1.200 US-Dollar umgehen würden. Was würden sie mit dem Mehr-Geld anstellen? Eine Gruppe sollte 4 Wochen vorher konkret fixieren, was sie mit dem Geld machen würden, z.B. sparen, Schulden begleichen u.ä. Die andere Gruppe machte vorab keine Pläne. Nach 6 Monaten befragten die Forscher beide Versuchsgruppen.
Ihr ahnt es bereits: Die Gruppe, die genaue Maßnahmen angeben mussten, hatte zum Großteil das Geld wieder ausgegeben. Zudem hatten sie weniger Schulden abbezahlt als die Vergleichsgruppe ohne Pläne.
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen die Forscher bei Test zum Thema Ernährung: Die Teilnehmer, die sich zuvor eine gesunde Ernährung vornahmen, stopften am Ende mehr ungesundes Zeug in sich hinein als die Vergleichsgruppe.
Und jetzt?
Sollen wir uns also keine Ziele mehr setzen? Nein! Ob deine Ziele deine Motivation fördern oder zerstören hängt immer davon ab, wie deine Situation ist. Wenn du zufrieden mit deinem Körper bist, wirst du dich besser disziplinieren können. Umgekehrt gilt leider: je unzufriedener du mit deinem Körper bist, umso eher wirst du bei Süßigkeiten schwach. Denn dann scheint das Ziel „Ich will schlank sein“ ist so weiter Ferne, dass es sehr demotivierend wirken kann. Ganz nach dem Motto „Das schaffe ich ja doch nicht“. Ziele können unsere Displizin enorm stärken, wenn die Zielgerade in Sichtweite ist – ansonsten gehen Sie nach hinten los und verursacht Stress oder Unzufriedenheit.
In den letzten Wochen habe ich noch ein sehr interessantes Buch gelesen. Das Buch „Weniger bringt mehr“ von dem berühmten Blogger Leo Babauta. Grob handelt es davon, sich auf das Wesentliche im Leben zu beschränken und sein Leben zu vereinfachen. Die Kernaussage lautet: Bestimme das Wesentliche in deinem Leben und eliminiere den Rest. Er gibt z.B. Schritt für Schritt Anweisungen, die E-Mail Flut zu bewältigen etc. Die Idee ist nicht bahnbrechend neu – aber seinen Ansatz, wirklich immer nur eine einzige Sache anzugehen und sich Schritt für Schritt zu seinem großen Ziel zu bewegen, finde ich faszinierend. In Bezug auf seinen Körper hat er nach eigenen Angaben mit der Mini-Ziel-Methode etwa 20 kg abgenommen und 2 Triathlons absolviert.
Ein Selbst-Experiment
Ich finde Experimente sehr spannend und werde nun im Laufe der nächsten Monate eines an mir selber vornehmen: Ich werde nach und nach einige kleine Angewohnheiten ändern bzw. mir neue antrainieren. Anstatt sofort und radikal meine Ernährung umzustellen und täglich joggen gehen zu wollen, werde mir je ein Mini-Ziele setzen. Und dieses Mini-Ziel werde ich 2 – 4 Wochen ohne wenn und aber, durchziehen, bis es zu einer festen Gewohnheit wird. Wenn es für mich erfolgreich ist prima, ansonsten werde ich so lange rumprobieren, bis es für mich passt.
Folgende Ideen zu meinem Mini-Ziel-Experiment habe ich bereits:
- 2 Wochen lang je 2 Liter Wasser oder Tee pro Tag trinken
- 2 Wochen keine Kohlenhydrate
- 2 Wochen abends nichts mehr essen sondern einen Protein-Shake trinken
- 2 Wochen lang keinerlei Ablenkung beim Essen, weder durch TV, Radio, Zeitung o.ä.
- 2 Wochen lang Zucker reduzieren
- 4 Wochen lang 1 x pro Woche spazieren gehen
Was haltet ihr von der Idee der Mini-Ziele? Habt ihr noch Tipps und Ideen zum Thema abnehmen und Sport, die es zu testen Wert sind?
Ich würde mich sehr über euren Gedanken und Idee hierzu freuen!
Quellen:
- Studie: Claudia Townsend und Wendy Liu (2012). Is Planning Good for You? The Differential Impact of Planning on Self Regulation. In: Journal of Consumer Research. Link
- Buch: „Weniger bringt mehr: Die Kunst, sich auf das Wesentliche zu beschränken“, Leo Babauta. Link zum Buch
Guckuck! danke für deine Gedanken….das hört sich spannend an…eines von ca. 20 Büchern, die ich alle voller Begeisterung in den letzten Monaten gekauft habe und dann maximal 10 Seiten gelesen habe, weil es so viel verschiedenes zu tun gibt, so dass der Tag zu kurz ist um ganz zu lesen, ist „Du musst dich nciht entscheiden,w enn du tausend Träume hast“ von Barbara Sher…..anosnsten warte ich gespannt auf Resonanz zum Plan! 🙂