Manchmal kommt der Zeitpunkt, an dem man eine genaue Bestandsaufnahme seines Lebens und seiner Gegenwart machen machen sollte. Was tut mir gut? Habe ich mich verändert?
Es ist fast 22 Uhr, ich sitze auf meinem Balkon in meiner neuen Wohnung und genieße einen kalten Weißwein und die Stille um mich herum. Außer das Zirpen der Grillen und das Rauschen des Windes in den Baumkronen ist nichts zu hören. In meinem neuen Zuhause fühle ich mich wie im Urlaub. Ich hätte nie gedacht, dass es mich irgendwann in meinem Leben nochmal aufs Land ziehen würde. Wie ist es also dazu gekommen, dass ich nun in einem kleinem Dorf leben, das hauptsächlich von Bauernhöfen und Obstwiesen umgeben ist?
Unser Gehirn gaukelt uns eine Vergangenheit vor, die es so nicht gegeben hat.
Der Weg hierhin war für mich nicht einfach – aber er war notwendig. Seit über einem Jahr pendel ich jeden Tag von meiner kleinen Stadtwohnung zu meiner Arbeit, 150 Kilometer am Tag. Das kostet nicht nur Geld und viele Nerven, sondern vor allem wertvolle Zeit, die ich anderweitig viel besser nutzen wollte – unter anderen für diesen Blog, aber auch für all die anderen Ideen, die in meine Kopf umherschwirren.
Ich brauchte mehr Luft, Platz und Zeit für mich und das sowohl räumlich, als auch geistig. Gefunden habe ich diesen Platz nun in hier in einem kleinen Dorf in der Nähe von Bonn. Und meine neue Wohnung ist der Wahnsinn! Ein riesiges Wohnzimmer mit offener Küche, alles ist sehr hell, jedes Zimmer hat bodentiefe Fenster. Ich habe ein eigenes Arbeitszimmer und ein riesiges Badezimmer. Vor meinem Balkon erstreckt sich eine große Wiese, in der Nachbarschaft spielen Kinder barfuß auf der Straße. Und Samstags putzen alle brav ihr Auto. In der Stadt wäre diese Wohnung finanziell nicht zu stemmen. Also musste ich mich entscheiden: hänge ich nun weiter meinem alten Selbstbild hinterher? Von der Frau, die abends mit ihren Mädels um die Häuser zieht?
Ein altes Selbstbild
Ich glaube, dass wir oft einem alten Selbstbild hinterherlaufen. Diese »Früher war alles besser« und »Früher war ich doch anders«-Denken ist ein perfider Streich unseres Gehirns. Wenn wir uns zurückerinnern, erinnern wir uns hauptsächlich an die schönen Momente. Alles andere wird irgendwie nebelig und diffus. Die Irrungen des Weges, der schwere Liebeskummer, der Streit mit den Eltern, die Momente, in denen man nicht wusste, wer man überhaupt ist und sein möchte.
Diese Momente gab es auch früher, doch in der Gegenwart verklären wir sie und reden das meiste davon schön. Und was nicht so schön war, wird verdrängt. Unser Gehirn gaukelt uns eine Vergangenheit vor, die es so nicht gegeben hat. Und es zeichnet auch ein verfremdetes Bild von uns selber.
Ich möchte frei sein für den Moment – denn sonst kann ich ihn nicht genießen.
Alles ist in Bewegung, alles verändert sich laufend. Daran ist absolut nicht Schlechtes, sondern es in der elementare Schritt, damit man sich weiterentwickelt. Und jeder Schritt bringt einen ein Stück näher zu sich selber. Die Vergangenheit ist gut und wichtig, nicht das ihr mich falsch versteht. Ich sehe mir gerne hin und wieder alte Fotos an und denke (meistens) mit einem Lächeln an die Zeit zurück. Doch viel wichtiger ist mir das HIER und JETZT, der Moment, in dem ich lebe.
Ich möchte in der Gegenwart leben – nicht in Erinnerungen.
Ich möchte, dass die Gegenwart so ist, dass ich sie genießen und auskosten kann und mich nicht an alten Erinnerungen und Vorstellungen festklammern. Ich möchte frei sein für den Moment – denn sonst kann ich ihn nicht genießen. Er wird einfach vorbeiziehen wie zahllose andere Momente auch, ohne das ich ihn bewusst wahrnehmen und schätzen kann. Dafür muss man sich von seiner Vergangenheit frei machen und Neues in sein Leben lassen.
Für mich war ein wichtiger Bestandteil, mich von altem Ballast zu trennen. Ich warf mehr als die Hälfte meines Kleiderschrankes weg und behielt nur das, was ich wirklich gerne trage. Ich verschenkte Kistenweise alte Bücher und mistete rigoros alles aus, was mir nicht lieb und teuer war. Es ist unglaublich, was man im Laufe seines Lebens ansammelt! Doch es war nötig, denn ich brauchte Luft und Platz für das Neue in meinem Leben! Der Rest wurde sorgsam gereinigt und liebevoll in meinem neuen Heim verstaut.
Was tut mir gut? In welchen Bereichen habe ich mich verändert? Was brauche ich, um der beste Version meiner Selbst näher zu kommen?
Was jedoch noch schwerere war als alte Sachen wegzuschmeißen – ich musste mich von meinem alten Selbstbild trennen. Ich wollte schon immer in der Stadt wohnen, bloß nicht so ein Dorf-Heini werden. Mit Händen und Füßen habe ich mich gegen eine Wohnung auf dem Land gewehrt. Doch manchmal kommt der Zeitpunkt, an dem man eine genaue Bestandsaufnahme seines Lebens machen sollte. Was tut mir gut? In welchen Bereichen habe ich mich verändert? Was brauche ich, um der beste Version meiner Selbst näher zu kommen? Was ist nötig, damit ich mein Leben mehr genieße?
Wir sollten lernen, wieder viel mehr auf unser Bauchgefühl zu hören anstatt die Gegenwart ständig mit der Vergangenheit zu vergleichen. Das JETZT ist dein Leben! Was die Zukunft bringen mag, steht in den Sternen und die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern. Und das ist auch gut so! Denn das alles bringt einen an den Punkt, den man Gegenwart nennt. Lebe im Moment, sei PRÄSENT und du wirst etliche Möglichkeiten und Chancen erhalten, das Leben intensiv zu spüren und zu genießen.
4 Tipps, um mehr in der Gegenwart zu leben:
- Ausmisten!!
(Und ja, damit ist auch der Keller gemeint) Alles, woran nicht dein Herz hängt wir verschenkt oder weggeworfen. Wir klammern uns viel zu sehr an unnütze Dinge aus Angst, einen Teil von uns zu verlieren. Doch du brauchst Platz für Neues! Und das Gefühl der Freiheit danach ist unbezahlbar! - Einen Ort für dich selber schaffen
Dafür musst du nicht direkt umziehen. Richte dir deine Wohlfühl-Oase ein und zwar so, wie es dir gefällt. Das kann ein ganzer Raum sein, in dem du dich nur mit Dingen umgibst, die du wirklich schätzt oder auch eine kleine Ecke im Zimmer oder dein Balkon. Für deine Arbeit hast du auch ein eigenen Platz – warum keinen, an dem du wirklich DU sein kannst? - Dein Selbstbild mit dem Fremdbild abgleichen
Bitte Menschen aus deinem Freundes-oder Familienkreis, dich ehrlich zu beschreiben. Bitte sie, dich so zu sehen, als ob sie dich nicht gut kennen würden und gleiche das beschriebene Bild mit deinen eigenen Selbstbild ab. So wird dir klar, ob und wie du dich verändert hast und wie du dein Leben anpassen kannst, damit es mit deinem Selbstbild im Einklang kommt. - Abschalten und auf Medien-Entzug gehen
Zugegeben, diese »Zwangskur« musste ich zunächst notgedrungen ein paar Wochen aufgrund meines Umzugs machen: kein Internet, kein Fernsehen, keine Nachrichten, keine sozialen Medien. Mein Fazit: Es ist eine reine Gewöhnungssache! Anfangs wusste ich kaum wohin, ohne mein Handy in der Tasche und ohne Internet fühlte ich mich teils abgeschottet von der Außenwelt. Doch dies brachte mich zwangsläufig dazu, mehr auf mich und meine Gedanken zu achten und diese bewusst wahrzunehmen. Auf Dauer möchte ich dies natürlich nicht, aber in Zukunft werde ich bestimmt 1-2 Tage die Woche auf »Beschallungs-Diät« gehen, um zu prüfen, wie es mir tatsächlich geht und meine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Ganz ohne die zahlreichen Ablenkungen, die um meine Aufmerksamkeit buhlen.
Ich hoffe es stört euch nicht, dass mein Blogbeitrag dieser Woche persönlicher und philosophischer ist als sonst. Aber ich finde, dass gehört zu einem Blog dazu. Und vielleicht helfen euch meine Erfahrungen ein Stück dabei, die Gegenwart mehr zu genießen. Habt ihr noch Tipps, um mehr in der Gegenwart zu leben? Was hilft euch dabei?
In der Ggenwart leben:
– immer mal wieder 5 Minuten lang still sein…in sich spüren
– „freuen“ und Dankbarkeit üben- zu Beginn vielleicht etwas gewöhnunsgsbedürftig…..weil ungewohnt. Im Verlauf deutlich sich verselbständigend 😉
– Einfach mal beim einschlafen zurück erinnern, was es an schönen Kleinigkeiten gegeben hat am Tag
– wenn was total quer liegt oder dir dumm kommt…..tief Luft holen……und deutlich (ja, auch lautstark) sagen: „na und“! Hilft wahre Wunder!