Müssen wir uns nur genug anstrengen, um Glück und Zufriedenheit zu erlangen? Warum Perfektionismus den Genuss verhindert.
Eine Standardfrage im Vorstellungsgespräch: »Wo liegen Ihrer Schwächen?« Und wohl eine der häufigsten Antworten darauf lautet: »Ich bin zu perfektionistisch«. Diese Schwäche scheint vertretbar zu sein, zeigt es doch nur, dass man detailbesessen ist und immer nach Höchstleistungen strebt.
Perfektionismus ist per se auch nichts Schlechtes. Ein Ingenieur oder ein Chirurg tut gut daran, in seiner Arbeit nach absoluter Perfektion zu streben. Es ist auch nicht verkehrt, den Wunsch nach Perfektion als Werkzeug einzusetzen, um ein wichtiges Ziel in einer bestimmten Qualität zu erreichen. Doch wie immer ist das Maß entscheidend.
Dann wirst du das vollkommene Leben führen, von dem du immer geträumt hast.
Situationen, die wirkliche Perfektion verlangen, sind Ausnahmefälle. Doch wir leben in einer Welt, die den Anschein vermittelt, dass das ganze Leben vollkommen werden kann – man muss sich nur genug anstrengen, dann wird man Glück und Zufriedenheit erlangen.
Das perfekte, makellose Leben
Träumt ihr nicht auch manchmal von einem perfekten Leben? Von einer harmonischen Partnerschaft, dem idealen Job, einem makellosem Körper? Dem schnellste Auto, der Traumreise oder dem schönsten Haus? Kein Problem! Der Weg zum Erfolg lautet: Gib alles, immer 110 % – arbeite hart, sei der vollkommene Partner, geh ins Fitnessstudio, verdiene viel Geld, konsumiere, streng dich an, geb dich nie mit weniger zufrieden. Dann wirst du das vollkommene Leben führen, von dem du immer geträumt hast.
Ihr mögt euch jetzt vielleicht fragen: Was ist falsch daran, nach Perfektion zu streben? Ist das nicht eine positive und erstrebenswerte Einstellung? Grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen, das Beste aus sich und seinen Talente machen zu wollen. Wenn man mit viel Leidenschaft und Engagement ein Ziel verfolgt, das einem wirklich wichtig und bedeutend erscheint.
Doch wenn man anfängt, in allen Bereichen des Lebens nach Vollkommenheit zu streben, blockiert man sich und seine Fähigkeiten in hohem Maß. Denn dann setzen wir nicht nur unsere Umwelt, sondern am allermeisten uns selbst unter gewaltigen Druck, mit unseren klaren, gereiften Vorstellungen davon, wie etwas zu sein hat, damit es perfekt ist.
Das Leben ist weit davon entfernt, perfekt zu sein – und wir sind es auch nicht. Wir müssen es auch nicht sein!
Wir beginnen damit, unsere Leistungen auf unseren persönlichen Wert zu beziehen. Nur wenn wir perfekte Leistungen bringen, sind wir überhaupt etwas wert. Nur wenn wir es schaffen, vollkommen und fehlerfrei zu sein, dann ist uns die Liebe aller sicher – so glauben wir. So geraten wir quasi in einen ewigen Wettkampf mit einem Gegner, den wir niemals schlagen können: mit uns selbst.
Wann ist es genug?
Den ein Perfektionist ist niemals fertig, es geht ja immer noch besser, noch schöner, noch perfekter …Doch wann ist es genug? Das Streben nach 110 % ist ein Verhalten, das einem zufriedenen und genussreichen Leben im Weg steht, weil es lähmt. Es versetzt uns in eine Angststarre, nie alles richtig machen zu können. Doch das Leben ist weit davon entfernt, perfekt zu sein – und wir sind es auch nicht. Wir müssen es auch nicht sein! Wenn ihr versucht, immer höchste Ansprüche an euch und euer Umfeld zu stellen, dann schließt ihr die Lust und den Genuss aus eurem Leben aus.
Doch wie können wir der Perfektions-Falle entkommen?
Hier ein paar Tipps, die helfen, das Leben mehr zu genießen:
Geht liebevoll mit euch um!
Schaltet euren inneren Kritiker einfach aus und stellt ihm einen herzlichen, liebevollen Gegenspieler gegenüber. Ich stelle mir oft meine beste Freundin vor, die mich ermutigt, unterstützt und sagt: »Du hast es so gut gemacht, wie du konntest – und das ist genug!«
Seid realistisch!
Bei den meisten Dingen im Leben reicht es aus, wenn etwas einfach »gut« ist. Verzichtet auf die Note Eins plus Sternchen im Hausaufgabenheft. Alles andere hemmt euch und verhindert, überhaupt mit etwas anzufangen. Denkt an das 80-20-Prinzip: 20 % des Aufwands bewirken 80 % der Ergebnisse. Alles darüber hinaus ist verschwendete Zeit. (Weiter Infos zum 80-20-Prinzip findet ihr hier).
Hört auf, euch mit anderen zu vergleichen!
Wir schielen ständig nach dem Erfolg und den Leistungen anderer und möchte auch das, was sie haben. Doch auch die anderen haben alle Selbstzweifel und Unsicherheiten. Warum glaubt ihr, dass ihr Leben besser ist als eures? Oft sind wir uns und unserer Stärken gar nicht bewusst. Befragt doch mal nahestehende Personen danach, was diese an euch »beneiden«.
Lebt im Moment!
Hört auf, euch ständig zu fragen, was ihr hättet anders machen sollen, oder wie wohl die Zukunft aussehen wird. Ihr werdet niemals eine Antwort darauf erhalten. Vertraut darauf, dass ihr genau da seid, wo ihr auch sein sollt. Genießt das, was ihr jetzt habt und wer ihr jetzt seid.
Seid stolz auf euch!
Erinnert euch daran, vor welchen Aufgaben und Herausforderungen ihr bereits gestanden habt und wie ihr diese gemeistert habt. Nehmt Komplimente an – ihr habt sie euch verdient.
Stellt euch eurer Angst!
Wenn ich unsicher bin, das etwas nicht gut genug ist oder Angst vor etwas habe, stelle ich mir immer eine Frage: Was ist das absolut Schlimmste, was mir passieren kann? Stellt euch die Situation genau vor und sucht nach Lösungen, wenn der schlimmste Fall tatsächlich eintreten sollte (was meistens nicht der Fall ist). Wenn ihr damit leben könnt – dann tut es!!
Macht euch klar, dass ihr geliebt werdet!
Hinter unserem Drang, perfekt zu sein, liegt oft die Sehnsucht, dass uns andere Menschen lieben werden, wenn wir nur gut genug sind. Wir versuchen durch hohe Leistungen die Liebe vor allem von den Menschen zu bekommen, die uns Anerkennung verweigern. Doch Liebe lässt sich nicht bestechen. Ihr seid einzigartig und habt es verdient, geliebt zu werden – um euer Selbst willen, nicht aufgrund der Leistungen, die ihr erbringt.
Zum Abschluss bleibt mir nur zu sagen: Ich wünsche euch ein unperfektes, dafür aber umso genussvolleres und authentisches Leben voller Spaß, Freude und Leichtigkeit!
1 Gedanke zu „Unperfekt ist besser!“